Klaus Schirrmacher; Thomas Schirrmacher; Ingrid von Torklus (Hrsg.): Bau­meister bleibt der Herr (Rezension)

Verlag für Kultur und Wissenschaft, Bonn
2001-05-17 13:51:00 / Buchrezensionen

Hans-Georg Wünch in Jahrbuch für evangelikale Theologie

Klaus Schirrmacher; Thomas Schirrmacher; Ingrid von Torklus (Hrsg.). Bau­meister bleibt der Herr: Festgabe zum 80. Geburtstag von Prof. Bernd Schirrmacher. Bonn: Verlag für Kultur und Wissenschaft, 2001. Br., 336 S.

Das vorliegende Buch ist ein Sammelband zu Ehren des Gießener Professors Bernd Schirrmacher, der von seinen Kindern Klaus und Thomas Schirrmacher sowie Ingrid von Torklus, geb. Schirrmacher, herausgegeben wurde. Es handelt sich dabei um ein sehr persönliches Buch, weniger um eine Festschrift im eigent­lichen Sinne. Von daher finden sich unter den Abhandlungen nicht nur Artikel mit wissenschaftlichem Anspruch, sondern auch biographisch-historische Beiträge, Briefe, Zeitungsartikel sowie persönliche Erinnerungen und Grüße von Fami­lienangehörigen und Freunden. Außerdem sind mehrere Beiträge von Prof. Bernd Schirrmacher selbst, die aus früheren Veröffentlichungen entnommen wurden, in dem Buch enthalten.

In dieser Rezension soll auf einige der Aufsätze von Gratulanten eingegangen werden, die interessante pädagogisch-theologische Themen behandeln. Zu diesen Hauptbeiträgen des Buches gehören die Artikel von Prof. Helge Stadelmann und Dr. Stephan Holthaus zur Pädagogik August Hermann Franckes und seiner Be­deutung für heute, von Dr. Thomas Schirrmacher über den früheren Pietismus an der Gießener Universität, von Dozent Wilhelm Faix über Autorität und Freiheit in der Erziehung sowie von Dr. Christine Schirrmacher über Kindererziehung und Familienwerte im Islam.

In seinem kirchengeschichtlich orientierten Artikel über „Die Pädagogik Au­gust Hermann Franckes" macht Holthaus deutlich, dass Franckes Pädagogik in mancherlei Hinsicht für die nachfolgenden Jahrhunderte von großer Bedeutung geworden ist. Besonders die „Abschaffung von Standesschranken, die Vorbild­funktion des Lehrers und der Eltern sowie die ganzheitliche Erziehung zur Got­tesfurcht und zur Klugheit" wird dabei hervorgehoben (S. 26). Dabei betont Holthaus, dass das weit verbreitete Bild einer so genannten „Prügelpädagogik" bei Francke mit den historischen Fakten nicht übereinstimmt und „dringend revi­diert werden" muss (S. 27).

Stadelmann zieht in seinem Artikel „Top Ausbildung auf allen Ebenen: Was Evangelikale heute von August Hermann Francke lernen können" Folgerungen aus dem Leben und Wirken des Hallenser Theologen. Besonders seine Betonung, „Bildung aus dem Glauben" sei „ein wesentlicher Schlüssel zur Prägung des Ein­zelnen und zur Veränderung von Kirche und Gesellschaft" (S. 35) ist nach Stadelmann auch für uns heute ein grundlegender Ansatz für eine positive Verände­rung. Francke hatte zu diesem Zweck geplant, eine christliche Hochschule einzu­richten, was allerdings aus verschiedenen Gründen „nicht über eine erste Vorstu­fe ... hinaus" gekommen war (S. 37). Stadelmann sieht in diesem Grundansatz Franckes, nicht bei einer christlichen Schulbildung stehen zu bleiben, sondern auch eine christliche Hochschulbildung anzustreben, einen wesentlichen Ansatz­punkt für die Aufgabenstellung von Evangelikalen heute (S. 36). Nachdem in den letzten Jahren und Jahrzehnten viele christliche Schulen (Bekenntnisschulen) in Deutschland gegründet wurden, sei es wesentlich, nun auch die andere Vision Franckes aufzugreifen und für eine christliche Hochschulausbildung einzutreten (S. 38).

Thomas Schirrmacher schließt in seinem Artikel „Die erste pietistische Uni­versität in Gießen" an diesen Gedanken an, indem er auf die Zeit von 1688 bis 1760 hinweist, in der die Universität in Gießen eine stark vom Pietismus gepräg­te Einrichtung war. Dies ist, so Schirrmacher, heute kaum noch bekannt (S. 39). Es geht zurück auf den Einfluss von Philipp Jakob Spener, dem es seit 1688 ge­lungen war, zunehmend pietistisch geprägte Professoren an der Universität in

Gießen unterzubringen (S. 40). Leider war diese Phase jedoch nicht von Dauer, sondern endete, nachdem die bis dahin stark pietistisch geprägte Landgrafenfami­lie sich vom Pietismus abgewandt hatte, mit dem Tod von Christoph Matthäus Pfaff im Jahre 1760 (S. 40). Schirrmacher sieht in dieser pietistischen Vergan­genheit der Universität Gießen auch einen wichtigen Ansatzpunkt für die weitere Entwicklung der Freien Theologischen Akademie Gießen (S. 41).

Nach diesen eher kirchengeschichtlich ausgerichteten Beiträgen folgen nun einige pädagogische Artikel. Besonders wichtig ist dabei sicher der Beitrag von Wilhelm Faix über „Autorität und Freiheit in der Erziehung". Faix zeigt zunächst einige Autoritätsprobleme in der gegenwärtigen Erziehungspraxis auf (S. 42-44) und wendet sich dann einer positiven Definition des Begriffes „Autorität" zu. Besonders betont er in diesem Zusammenhang, dass Autorität immer ihren Ur­sprung in Gott selbst hat: „Der Mensch hat immer nur so viel Autorität, wie er sie von Gott verliehen bekommen hat" (S. 44). Die elterliche Autorität, so Faix wei­ter, muss zugleich eine „Amtsautorität", eine „Sachautorität" und eine „Persön­lichkeitsautorität" sein, wobei letzteres für Faix die eigentliche Autorität ist (S. 45f). In einem dritten Schritt geht Faix nun der Frage nach, wie Eltern ihre Autorität gewinnen. Auch hier macht er deutlich, dass dies vor allem durch die persönliche Beziehung und das Vorbild der Eltern geschieht (S. 46-49). Dann wendet sich Faix der Frage zu, wodurch elterliche Autorität gehindert oder zer­stört wird und benennt eine Anzahl von Gründen (S. 49-51), bevor er schließlich in einer Art Zusammenfassung versucht, das Verhältnis zwischen Freiheit und Autorität in der Erziehung konstruktiv zu bestimmen (S. 51) und anhand von Eph. 6,1-4 zu verdeutlichen (S. 52-54). Wichtig ist, so Faix, dass sich elterliche Autorität von den Merkmalen der göttlichen Autorität bestimmen lässt: „Barm­herzigkeit, Vergebung, Liebe und vertrauensvolle Beziehung" (S. 54).

Der Artikel von Christine Schirrmacher, „Kindererziehung und Familienwerte im Islam" schließlich schildert die Stellung der Kinder und ihre (religiöse) Erzie­hung im Islam und gibt dadurch einen wertvollen Einblick in moslemisches Den­ken. So zeigt Schirrmacher auf, dass der Islam grundsätzlich davon ausgeht, dass Säuglinge und Kleinkinder zunächst einmal unschuldig sind und „nichts Böses kennen und wollen" (S. 81f)- Schrittweise werden die Kinder dann, wenn sie äl­ter werden, in die praktizierte Religion hinein genommen. Dabei geschieht Erzie­hung sowohl in den Koranschulen als auch in den säkularen Schulen in den meis­ten moslemischen Ländern durch Wiederholen und Auswendiglernen (S. 83). Schirrmacher erläutert, dass diese Lernmethode ihre Wurzel letztlich im Gottes­bild des Islam hat: „Gott muß nach islamischer Auffassung nicht verstanden, sondern vor allem angebetet werden." (S. 83). Dabei erstreckt sich die Einbezie­hung Gottes in der Erziehung auf alle Bereiche. Auch die Erziehung für die spä­tere Rolle als Mann oder Frau hat ihren Platz innerhalb der religiösen Erziehung (S. 84).

Neben diesen Hauptbeiträgen des Buches finden sich noch eine ganze Reihe weiterer pädagogisch-theologischer Artikel. Sie im Einzelnen aufzuzählen oder

gar inhaltlich darzustellen, würde den Rahmen einer Rezension bei weitem über­steigen. Das Gleiche gilt auch für den Versuch, eine Wertung des Gesamtwerkes zu erstellen. Die Artikel unterscheiden sich nicht nur im Blick auf ihre Ausrich­tung und ihren theologischen Gehalt, sondern auch im Blick auf ihre Wissen­schaftlichkeit sehr voneinander. Dies ist zwar im Grunde zu erwarten bei einem Sammelband bzw. einer Festschrift, scheint aber für das vorliegende Werk in besonderem Maße zu gelten. Insgesamt handelt es sich jedoch um ein interessan­tes und sehr vielfältiges Buch mit einer bemerkenswert persönlichen Note.

Hans-Georg Wünch


News