Theo Wüst in Evangelikale Missiologie 10 (1994) 4: 121
William Carey. Eine Untersuchung über die Verpflichtung der Christen, Mittel einzusetzen für die Bekehrung der Heiden. hg. von Klaus Fiedler und Thomas Schirrmacher. Verlag für Kultur und Wissenschaft: Bonn, 1993
Endlich, nach gut 200 Jahren, ist jetzt der Missionsklassiker zum ersten Mal auf Deutsch herausgekommen. Noch vor sieben Jahren ist es einem deutschen Biographen Careys nur über die Universität London möglich gewesen, an den Text der "Enquiry" zu gelangen. William Careys Untersuchung, die er 1792 herausbrachte, ist nicht umsonst berühmt geworden und berühmt geblieben. Er ging neue Wege. In seinen fünf Kapiteln wollte er konsequent "jede zulässige Methode benutzen, um die Kenntnis Seines Namens auszubreiten". Und dies geschah in erster Linie mit der Darlegung von Fakten. Besonders das III. Kapitel ist in diesem Sinn überwältigend. Die gründliche Vorarbeit an der Enquiry und die Sachkunde verrät dort die 23seitige Tabelle, in der er die damals bekannten Länder der Erde mit ihren Ausdehnungen, mit der Zahl der Einwohner und deren Religionen vollständig auflistet. Wie das Wissen Careys, so beeindruckt seine Ehrlichkeit. Wo er keine verläßlichen Angaben hat, gibt er zu, geschätzt zu haben.
Nach einer soteriologischen Einleitung beweist er im I. Kapitel klar und unwiderlegbar, daß der Missionsbefehl des Herrn in Mt 28 auch heute noch gilt, was damals ja im allgemeinen bezweifelt wurde.
Kapitel II enthält unter dem Titel "Überblick über frühere Unternehmungen zur Bekehrung der Heiden" eine eigentliche Missionsgeschichte, die sich über 24 Seiten erstreckt und den Erfolg der Botschaft Gottes beweist. Seit der Zeit der Apostelgeschichte breitete sich Gottes Wort unaufhörlich aus. Unterdrückung konnte das Evangelium nicht zum Schweigen bringen.
In Kapitel IV räumt er mit den Ausreden seiner Zeitgenossen auf. Die Unmöglichkeiten, zu den Heiden zu kommen, wurden von den Handelskompanien alle überwunden. Wo es um materiellen Gewinn ging, waren die Menschen zu allen Opfern bereit und erreichten ihr Ziel. John Elliot, David Brainerd und die Herrnhuter Missionare bewiesen für die Missionsarbeit, daß die Türen zu den Heiden für das Evangelium offen standen. Eindringlich folgert er, daß "die Berufung ausreicht, nun alles zu wagen und wie die ersten Christen überall hinzugehen und das Evangelium zu predigen".
Im abschließenden Kapitel führt er die Mittel und Möglichkeiten für erfolgreiche Missionsunternehmen auf. Neben der Betonung des Gebets schlägt er vor, daß "eine Gruppe ernster Christen, Geistliche und Privatpersonen, eine Gesellschaft bilden", um Missionare anzustellen und deren Kosten zu bestreiten. Kurz nach der Veröffentlichung der Enquiry ist dieser Gedanke in die Tat umgesetzt worden, indem William Carey selbst mit Familie und einem Freund nach Indien reiste.
Die vorliegende deutsche Übersetzung wird durch klärende Fußnoten der Herausgeber bereichert, die das Buch für heutige Leser allgemeinverständlich machen. Die Herausgeber Klaus Fiedler und Thomas Schirrmacher haben sich in die Übersetzungsarbeit geteilt. Der eine Teil liest sich verständlich und flüssig, beim anderen sind in Anlehnung ans Englische von 1792 die Sätze oft zu lang und so "verschachtelt", daß ich Absätze oft mehrmals lesen mußte. Zahlreiche Deutschfehler haben diesen Nachteil leider noch verstärkt.
Insgesamt ist aber der erste Band von "mission classics" der edition afem eine wertvolle Bereicherung nicht nur für geschichtlich Interessierte. Wie William Carey die trägen Christen aufgerüttelt und ihre Einwände gegen die Mission widerlegt hat, war damals kraftvoll und verfehlt auch heute seine Wirkung nicht.